Ich befinde mich an Bord der Internationalen Raumstation (ISS), blicke durch das runde Fenster der Cupola. Der dunkelblaue Atlantik zieht unter mir vorbei, am Horizont schiebt sich Irland in mein Gesichtsfeld. Nach knappen neunzig Minuten kommt es erneut in Sicht — good old Europe. Nun bin ich seit fünf Monaten hier oben, doch von dem Ausblick kann ich einfach nicht genug kriegen.
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Echt?
Ja und nein.
Leider ist das nichts weiter als bloßes Wunschdenken. Ich sitze auf der Erde und deren Beschleunigung von 1 g hält mich fest in den Klauen. Mit ihren Schilderungen rennt die Autorin bei mir offene Türen ein. Nur zu gut kann ich sie verstehen, kann nachvollziehen, worin ihre Begeisterung besteht. Wäre ich tatsächlich oben, würde es mir vermutlich genauso ergehen.
Die Frau, die diese einzigartigen Eindrücke so eindringlich zu vermitteln vermag, ist ESA-Astronautin Samantha Cristoforetti, deren Buch Die lange Reise: Tagebuch einer Astronautin ich gerade lese.
Ich habe viele Biografien von Astronauten bzw. Bücher über deren Expeditionen ins All gelesen. Von Neil Armstrong bis Franz Viehböck, von James Lovell bis Michael Collins, von John Young bis Scott Kelly. Letzterer verbrachte bei seinem vierten Flug ins All ein Jahr an Bord der ISS.
Das Buch von Samantha Cristoforetti ist anders — um nicht zu sagen besser. Abseits aller technischen Details, die überaus interessant sind, versteht sie es, Dinge zu erzählen, die in den anderen Schilderungen zu kurz kommen. Sie beschreibt Eindrücke, Zweifel, Gefühle, die ihrem Buch eine Lebendigkeit verleihen, die ich in anderen vermisst habe.
Lässt man sich fallen, beginnt man bald schwerelos zu schweben und kann nachempfinden, wie es gewesen sein muss … dort oben, im All.